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Presserecht

Google-Urteil

Das sogenannte Google-Urteil – EuGH, Urteil vom 13.05.2014, Az.: C-131/12 - hat in der Netzgemeinde und ebenso in der Rechtswissenschaft für großes Aufsehen gesorgt. Zu Recht!

Im Ergebnis ist Google nun verpflichtet, Verlinkungen aus den eigenen Ergebnislisten zu entfernen, die duch die Autocomplete-Funktion die Eingabe eines Namens mit unrichtigen oder unvollständigen Aussagen verknüpft und dargestellt.

Der EuGH hat diese Löschungspflicht nicht auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen beschränkt und auch keinen Schaden der betroffenen Person vorausgesetzt.

Die einzige Ausnahme macht der EuGH für Personen des öffentlichen Lebens, also Personen, deren Rolle im öffentlichen Leben so bedeutend ist, dass das Interesse der breiten Öffentlichkeit einen Eingriff in die Privatsphäre rechtfertigt.

Ausgangslage war die Beschwerde eines spanischen Staatsbürgers, der festgestellt hatte, dass in den Ergebnislisten von Google bei Eingabe seines Namens zwei Zeitungsartikel auftauchten, die über die Pfändung und Versteigerung seines Grundstücks berichteten.

→ Weiterleitung zum vollständigen Wortlaut der Entscheidung

Daran gibt es gleich mehrere sehr bemerkenswerte Aspekte:

  1. Löschungspflicht für wahre Tatsachen

    Aus Sicht des Presserechts interessant war, dass diese Versteigerung und Pfändung des Grundstücks tatsächlich der Wahrheit entsprachen. Sie lagen lediglich in der Vergangenheit und stellten nicht mehr die aktuelle Lebensituation dar. Damit ging der EuGH sogar über das hinaus, was man aus dem deutschen Presserecht kennt. Allerdings musste man hier auch berücksichtigen, dass Google kein Presseorgan ist und sich damit etwa auf das Archivprivileg berufen könnte. Insofern ist dieses Urteil auch nicht identisch auf Verlage oder Medien generell übertragbar. Es gilt für lediglich für Suchmaschinenbertreiber unzweifelhaft.

  2. Zuständigkeit des EuGH für Google bzw. räumliche Zuständigkeit bei lediglich einer Filliale in Europa

    Der aber wohl bemerkenswerteste Schritt war die Annahme der räumlichen Zuständigkeit. Dies war bisher das größte und kaum ausräumbare Hindernis bei rechtlichem Vorgehen gegen den amerikanischen Internetriesen Google. Zum räumlichen Anwendungsbereich der Richtlinie führt der Gerichtshof aus, dass es sich bei Google Spain um eine Tochtergesellschaft von Google Inc. Spain in Spanien und somit eine „Niederlassung“ im Sinne der Richtlinie handelt. Dabei sei es unerheblich, dass die von Google-Search vorgenommene Datenverarbeitung in den USA stattfindet. Maßgeblich sei allein - und dies ist der durchaus sehr gewagte und nicht unstreitbare juristische Schachzug – dass die europäische Niederlassung Werbeflächen der Suchmaschine in Europa verkaufe oder den Verkauf fördere. Einfache ausgedrückt: Das man mit der europäischen Niederlassung in Europa Geld macht, reiche aus um für die Suchmaschine, die in einem Drittland betrieben wird, verantwortlich zu sein.

    Man muss kein Jurist sein um festzustellen, dass diese Begründung einzig den Hintergrund hat, die europäische Richtlinie auf Google anwenden zu können. Ein beachtilicher Kunstgriff, über den noch viel diskutiert werden wird.

  3. Bedeutung persönlicher Daten und Suchmaschinen für das Leben der Menschen herausgestellt

    Der EuGH weist in seiner Entscheidung zutreffend auf die Bedeutung des Internets und der privaten Daten, die durch Suchmaschinenbetreiber auffindbar gemacht werden hin. Er stellt demgegenüber, dass das Interesse eines Suchmaschinenbetreibers an der freien Datenverarbeitung diese Bedeutung für natürliche Personen grundsätzlich nicht aufwiegen kann. Damit wird die durchaus politisch bedeutsame Entscheidung auf eine rechtliche Ebene gehoben.

  4. Das Recht vergessen zu werden für "natürliche Personen"

    Der EuGH stellt den nicht neuen Gedanken, dass man das Recht hat, in der Öffentlichkeit vergessen zu werden auf ein neues Fundament. Er weist darauf hin, dass erst durch die Arbeit der Suchmaschinen ein strukturierter Überblick zu einer bestimmten Person ermöglicht wird. Diese Bedeutung für natürliche Personen würde durch die Rolle des Internets in der Gesellschaft gesteigert werden. Was auch klar wird aus den Formulierungen. „Natürliche Personen“ sollen dieses „Recht auf Vergessenwerden“ haben können. Von juristischen Personen, etwa Unternehmen, hat der EuGH offenbar bewusst nicht gesprochen. Für sie gelten diese Erwägungen und Entwicklungen nicht.

  5. Direkter Rechtsschutz gegenüber Google

    Der Gerichtshof stellt klar, dass Anträge auf Löschung der Suchergebnisse von der betroffenen Person unmittelbar an den Suchmaschinenbetreiber gerichtet werden können. Dieser müsse dann sorgfältig die Begründetheit prüfen.

    Gibt der für die Verarbeitung Verantwortliche den Anträgen nicht statt, kann sich die betroffene Person an die Kontrollstelle oder das zuständige Gericht wenden, damit diese die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den Verantwortlichen entsprechend anweisen, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen.

    Damit werden Suchmaschinenbetreiber direkt der Rechtskontrolle durch die Gerichte unterworfen.

Die Folgen für Google sind enorm. Bereits unmittelbar nach dem Urteil soll Google über 90.000 Anfragen zu weit mehr als 300.000 Verlinkungen erhalten haben und muss diese nun prüfen.

Ähnlich zum Google-Urteil urteilte auch der BGH in seinem Urteil vom 14.05.2013, Az.: VI ZR 269/12:

Ähnlich zum Google-Urteil urteilte auch der BGH in seinem Urteil vom 14.05.2013, Az.: VI ZR 269/12:

Hier klagte ein Betroffener, dessen Name bei der Eingabe durch die „Autocomplete-Funktion" automatisch um die Begriffe „Betrug“ und „Scientology" ergänzt wurde.

©RA Heller
www.ra-heller.eu